Passgenaue AU-Bescheinigungen sind verdächtig
Im Arbeitsverhältnis eines Berufstauchers war es zu Unstimmigkeiten wegen seiner Arbeitszeitnachweise gekommen. Der Taucher kündigte deshalb sein Arbeitsverhältnis am 03.01.2022 ordentlich zum 28.02.2022. Am 04.01.2022 konsultierte er seine Hausärztin, die ihn zunächst bis zum 14.01.2022 und danach durch Folgebescheinigungen vom 13.01.2022 (bis zum 04.02.2022) und 04.02.2022 (bis zum 28.02.2022, einem Montag) arbeitsunfähig krankschrieb. In der Folge klagte er erfolglos auf Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen seiner Arbeitsunfähigkeit. Das Arbeitsgericht betonte, dass einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zukomme. Der Beweiswert könne aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erschüttert sein, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) passgenau die nach einer Eigenkündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecke. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine einzelne ärztliche Bescheinigung oder durch mehrere Bescheinigungen (Erst- und anschließende Folgebescheinigungen) dargelegt werde. Entscheidend sei, dass die Kündigungsfrist durch die Bescheinigungen passgenau abgedeckt werde. Im konkreten Fall komme hinzu, dass das Ende der attestierten Arbeitsunfähigkeit auf einen Montag (28.02.) gefallen sei, der Arbeitnehmer ab dem 01.03. wieder arbeitsfähig gewesen sei und eine Stelle bei einem neuen Arbeitgeber habe antreten können. Eine solche Spontangenesung mitten in der Woche sei nicht plausibel, sodass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei, ArbG Neumünster, Urteil vom 23.09.2022, Az. 1 Ca 20b/22.