Hintergrund
/ 30. Oktober 2024

Ein „gutes“ Zeugnis ist kein Selbstläufer

Auch wenn viele Personalverantwortliche nicht mehr auf die Aussagekraft von Zeugnissen vertrauen, müssen sich die Gerichte immer wieder mit Zeugnisstreitigkeiten beschäftigen. Nicht selten erteilen Zeugnisersteller Änderungswünschen ihrer Mitarbeiter eine Abfuhr, riskieren dadurch aber einen Streit vor dem Arbeitsgericht.

Eine gute Leistung ist nicht durchschnittlich

Ein zweieinhalb Jahre als Schulbegleiter beschäftigter Arbeitnehmer erhielt am Ende seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ein qualifiziertes Endzeugnis. Die Leistungsbeurteilung enthielt u. a. die Formulierung „Er erfüllte seine Aufgaben … immer selbständig, sorgfältig und stets zu unserer Zufriedenheit.“ Der Arbeitnehmer erhob Klage und verlangte, die Leistungsbeurteilung „stets zu unserer Zufriedenheit“ in „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ abzuändern, da er gute Leistungen erbracht habe. Im Übrigen könne er eine gute Bewertung bereits deswegen verlangen, weil eine gute Leistung dem Durchschnitt entspreche.
Das Gericht war anderer Meinung und wies die Zeugnisberichtigungsklage ab. Ein Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf ein gutes oder sehr gutes Zeugnis, sondern nur einen Anspruch auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Ausgehend von den übertragenen Tätigkeiten und dem sich daraus ergebenden Anforderungsprofil werde danach die Leistung des Arbeitnehmers daran gemessen, wie der Arbeitgeber mit der Aufgabenerfüllung zufrieden gewesen sei. Werde dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe „zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur Zufriedenheit“ des Arbeitgebers gearbeitet, werde das der Note „befriedigend“ zugerechnet, teils als Zwischennote „voll befriedigend“ oder auch als „gutes befriedigend“ oder „gehobenes befriedigend“ verstanden.
Von diesen Maßstäben sei auch der Arbeitgeber im Streitfall ausgegangen. Mit der Formulierung „stets zu unserer Zufriedenheit“ habe er dem Mitarbeiter eine befriedigende Leistung im mittleren bis oberen Bereich bescheinigt. Dies entspreche einer durchschnittlichen Bewertung. Diese Einschätzung erscheine schon deshalb nachvollziehbar, weil der Mitarbeiter erst kurz vor Antritt seiner Tätigkeit eine einschlägige Ausbildung absolviert habe. Vielfach führe erst eine langjährige Berufserfahrung zu guten und sehr guten Leistungen.
Der Mitarbeiter habe nicht dargelegt, dass er im Hinblick auf Leistung und Verhalten während des rund zweieinhalb Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses besser als ein durchschnittlicher Schulbegleiter gewesen sei. Einen Austausch des Wortes „stets“ gegen „voll“ könne der Mitarbeiter ebenfalls nicht verlangen. Beide Bewertungen seien der Note „befriedigend“ zuzurechnen. Dem Arbeitgeber sei es überlassen, für welche der möglichen Formulierungen er sich entscheide, LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.07.2024, Az. 5 Sa 108/23.

Notenskala als Maßstab bei Leistungsbeurteilung

Bei der Leistungsbeurteilung steht Personalverantwortlichen eine Zufriedenheitsskala zur Verfügung, die sich mit Schulnoten vergleichen lässt. Im Streit über die Qualität einer Arbeitsleistung dient die Note befriedigend als Ausgangpunkt.

Beweislast spielt maßgebliche Rolle

Da es im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung nur schwer aufzuklären ist, ob die Leistungsbeurteilung im Zeugnis richtig oder falsch ist, spielen die Regeln der sogenannten Beweislast eine entscheidende Rolle. Nach der Rechtsprechung muss ein Arbeitnehmer, der eine bessere Leistungsbeurteilung als die Standardnote „befriedigend“ beansprucht, darlegen und beweisen, dass er überdurchschnittliche Leistungen erbracht hat. Stellt der Arbeitgeber ein schlechtes Zeugnis aus, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die unterdurchschnittliche Leistung. Da die Leistungsbeurteilung im Zeugnis die Qualität der Arbeitsleistung über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses wiedergeben soll, ist es dabei nicht ausreichend, lediglich einzelne Erfolge oder Fehler im Zeugnisstreit zu thematisieren und unter Beweis zu stellen.

Praxis-Tipp
Zeugnisstreitigkeiten kosten Zeit, Geld und Nerven. Vor diesem Hintergrund sollten Personalverantwortliche es sich stets sehr gut überlegen, Änderungswünschen eines ausgeschiedenen Mitarbeiters tendenziell eher nachzukommen, sofern es sich bei den Forderungen nicht um gravierende Unrichtigkeiten handelt.

Annemarie Böttcher

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