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Praxisbericht
24. November 2023

Streitfall Weisungsrecht: Was der Arbeitgeber alles anordnen kann

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Streitfall Weisungsrecht: Was der Arbeitgeber alles anordnen kann
Bild: © Redaktionsbüro Schneider/gettyimages.de/JackF
Inhalte in diesem Beitrag
Flache Hierarchien und ein kollegialer Umgang können sich positiv auf das Betriebsklima auswirken. Dennoch ist es unerlässlich, als Arbeitgeber die Richtung vorzugeben und entsprechende Weisungen zu erteilen. Wie weit das gesetzliche Weisungsrecht reicht, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Weisungsrecht gibt die Richtung vor

Das in §106 Gewerbeordnung (GewO) geregelte Weisungsrecht (auch Direktionsrecht genannt) berechtigt den Arbeitgeber, den Inhalt und den Ort der Arbeitsleistung sowie die Lage der Arbeitszeit näher zu bestimmen und auszugestalten. Zudem beinhaltet es die Befugnis des Arbeitgebers, Vorgaben zur Ordnung und zum Verhalten im Betrieb zu machen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers besteht für die ausdrücklich im Gesetz genannten Arbeitsbedingungen jedoch nur, sofern diese nicht anderweitig durch Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen einschlägigen Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

So konkretisiert das Weisungsrecht das Arbeitsverhältnis

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist ein wichtiges Gestaltungsmittel im Arbeitsverhältnis. Laut Arbeitsvertrag ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nach näherer Bestimmung durch den Arbeitgeber verpflichtet. Durch die Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert der Arbeitgeber die Pflicht zur Arbeitsleistung insbesondere dahingehend, wie, wann, wo und unter welchen Umständen die Arbeit zu erbringen ist. Das Direktionsrecht dient dabei jedoch nur der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhaltes. Es umfasst nicht das Recht des Arbeitgebers, den Vertragsinhalt zu ändern. Es kann sich außerdem auf eine – je nach den Umständen näher zu bestimmende – Vielzahl von Pflichten und Verhaltensweisen beziehen, die erforderlich sind, den Arbeitserfolg herbeizuführen, sogenannte leistungssichernde Neben- oder Verhaltenspflichten.

Exkurs: Unterschied zur Änderungskündigung

Auf der Basis seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber keine Änderung des Inhaltes eines Arbeitsvertrages herbeiführen. Dieses Ziel kann er nur

  • durch eine (einvernehmliche) Vereinbarung mit dem Mitarbeiter oder
  • den Ausspruch einer Änderungskündigung

erreichen. Sofern das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterliegt, muss sich eine Änderungskündigung nach den darin geregelten strengen Voraussetzungen richten, d. h., sie muss aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein. Falls Sonderkündigungsschutz besteht (z. B. während einer Schwangerschaft oder bei einer Schwerbehinderung) muss außerdem zuvor die erforderliche behördliche Zustimmung eingeholt werden. Bei einer Änderungskündigung müssen zudem die jeweils geltenden Kündigungsfristen eingehalten werden, während die Ausübung des Weisungsrechts grundsätzlich nicht an die Einhaltung von Fristen gebunden ist.

Arbeitgeber muss Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausüben

Auch wenn eine Anordnung des Arbeitgebers von seinem Weisungsrecht gedeckt ist, kann er seine Interessen nicht rücksichtslos oder willkürlich durchsetzen. Die Ausübung des Weisungsrechts muss gemäß § 106 GewO (Gewerbeordnung) stets nach billigem Ermessen erfolgen. Billiges Ermessen ist ein juristischer Begriff, der immer dann verwendet wird, wenn einer (Vertrags-)Partei bei der Ausübung eines Rechts ein Ermessenspielraum zusteht. Diese Partei darf dann ihr Recht nicht willkürlich einseitig geltend machen, sondern muss auch die Interessen der anderen Seite angemessen berücksichtigen. Die Rechtsprechung verlangt in diesem Zusammenhang eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit, wobei in die Abwägung alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind. Vor jeder Weisung muss daher eingehend überprüft werden, ob

  • alle entscheidenden Umstände des Einzelfalles abgewogen und in beiderseitigem Interesse angemessen berücksichtigt wurden,
  • die Grundrechte der Mitarbeiter, wie z. B. das Persönlichkeitsrecht, die Gewissensfreiheit, die Religionsfreiheit und die Grundsätze der Gleichbehandlung gewahrt werden,
  • familiäre Bindungen und Verpflichtungen des Mitarbeiters angemessen in die Anordnung einbezogen wurden, z. B. im Zusammenhang mit Zeit und Ort der Arbeitsleistung.

Rechtmäßigkeit einer Weisung kann gerichtlich überprüft werden

Ist ein Mitarbeiter mit einer Weisung nicht einverstanden, hat er zwei Möglichkeiten: Er kann die Weisung vorläufig befolgen und sie parallel gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Fall überprüft das Gericht zunächst, ob die Weisung grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist oder ob Regelungen des Arbeitsvertrages, eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder gesetzliche Vorschriften der Weisung entgegenstehen. Ist die Weisung vom Weisungsrecht gedeckt, wird überprüft, ob die Anordnung im konkreten Fall billigem Ermessen entspricht. Das Gericht hat dabei aber nicht zu beurteilen, ob die Weisung des Arbeitgebers die beste, effizienteste oder wirtschaftlich vernünftigste Lösung darstellt. Im Rahmen der Ausübung des Weisungsrechts steht dem Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum zu, der unter Umständen mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zulässt. Für welche Option er sich entscheidet, bleibt ihm überlassen, so lange er billiges Ermessen wahrt.

Konfrontativer Weg kann zur Kündigung berechtigen

Weigert sich ein Arbeitnehmer, eine auf Basis des Weisungsrechts ergangene Anordnung des Arbeitgebers zu befolgen, liegt der Spielball beim Arbeitgeber. Verstößt ein Mitarbeiter gegen eine rechtmäßige Weisung, kann dies – nach erfolgloser Abmahnung – im Wiederholungsfall ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Dabei kommt es jedoch auch darauf an, wie schwerwiegend ein Verstoß ist. Bei leichten Verstößen muss zumindest eine gewisse Hartnäckigkeit der Nichtbefolgung erkennbar sein. Bei schweren Verstößen kann schon ein wiederholter Verstoß ausreichen.

Gerade in Bezug auf das „Wie“ kommt es – sofern nicht ein einzig möglicher Weg zum gewünschten Arbeitserfolg führt – in der Praxis bisweilen zu einer unterschiedlichen Handhabung. Ist das Arbeitsergebnis hinsichtlich Quantität und Qualität gut, wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vielfach gewähren lassen. Letztendlich entscheidet jedoch der Arbeitgeber, wie die Tätigkeit zu erbringen ist, selbst wenn der Mitarbeiter eine andere Handhabung bevorzugt oder für sinnvoll erachtet.

Unrechtmäßige Weisungen müssen nicht befolgt werden

War die Weisung dagegen unrechtmäßig, entweder weil sie nicht vom Direktionsrecht umfasst ist oder billiges Ermessen nicht gewahrt wurde, kann der Arbeitnehmer sie ignorieren, ohne dass er rechtliche Maßnahmen befürchten muss. Die frühere Rechtsprechung, nach der auch unbillige Weisungen bis zur gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit vom Arbeitnehmer zunächst befolgt werden mussten, hat das Bundesarbeitsgericht aufgegeben. Trotzdem geht ein Arbeitnehmer, der Weisungen missachtet, das Risiko arbeitsrechtlicher Sanktionen bis hin zur Kündigung ein.

Übersicht: Das Weisungsrecht im Überblick

Inhalt der Arbeitsleistung

Je detaillierter eine Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ausfällt, desto geringer ist der Spielraum des Arbeitgebers, sein Weisungsrecht auszuüben. So können dem Mitarbeiter vertraglich eingeräumte Befugnisse nicht einfach im Wege des Weisungsrechts entzogen werden. Wird ein Mitarbeiter dagegen mit einer im Arbeitsvertrag allgemein gehaltenen Tätigkeit, z. B. als „Hilfsarbeiter“, eingestellt, können ihm sämtliche unter diesen Begriff subsumierbaren Tätigkeiten zugewiesen werden.

Versetzungsklauseln

Auch im Falle einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung kann das Weisungsrecht durch eine Versetzungsklausel erweitert werden, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Damit die Klausel den Vorgaben der Rechtsprechung standhält, muss die Tätigkeit gleichwertig sein und den Kenntnissen und Fähigkeiten des Mitarbeiters entsprechen.

Teilnahme an Personalgesprächen

Grundsätzlich fällt auch die Anordnung der Teilnahme an Personalgesprächen unter das Weisungsrecht, in deren Rahmen der Arbeitgeber nähere Weisungen zur Tätigkeit erteilen oder auch Kritik an der Arbeitsleistung äußern will. Nicht vom Weisungsrecht gedeckt ist es nach der Rechtsprechung, den Mitarbeiter zur Teilnahme an einem Gespräch über eine angedachte Vertragsänderung zu verpflichten, die der Mitarbeiter im Vorfeld bereits abgelehnt hat.

Dauer und Lage der Arbeitszeit

Die Dauer der Arbeitszeit gehört zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses und kann daher nicht einseitig im Wege des Weisungsrechts verändert werden. Sofern der Arbeitsvertrag oder ein geltender Tarifvertrag bzw. eine Betriebsvereinbarung dies nicht vorsehen, ist auch die Anordnung von Überstunden oder Kurzarbeit nicht vom Weisungsrecht gedeckt. Die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit unterliegt dagegen dem Weisungsrecht. Wenn hier keine Regelungen im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung bestehen, kann der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit bestimmen. Sein Weisungsrecht umfasst dabei die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie die Festlegung des Zeitpunktes von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Unterbrechung durch Pausen. Er darf sogar Gleitzeit und Schichtarbeit anordnen.

Annemarie Böttcher

Annemarie Böttcher
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