Abfindungsangebot abgelehnt: Arbeitnehmer verzockt sich
Arbeitnehmer geht leer aus
Ein Unternehmen mit rund 140 Mitarbeitern traf im Januar 2021 die Entscheidung, den gesamten Geschäftsbetrieb zum 31.08.2021 einzustellen und kündigte deshalb der gesamten Belegschaft. Ein Betriebsrat existierte nicht. Der Arbeitgeber unterbreitete allen Mitarbeitern ein Angebot auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages, der auch die Zahlung einer Abfindung vorsah. Da der Arbeitgeber Wert darauf legte, dass die Arbeitsverhältnisse möglichst bis zum 30.06.2021 fortgeführt werden, sollte die Höhe der Abfindung an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen. Der Grundbetrag der Abfindung betrug demnach 0,25 Gehälter pro Beschäftigungsjahr. Die Abfindung sollte sich bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.02.2021 auf 0,5 Gehälter, bei einem Bestand bis zum 30.04.2021 auf 0,75 Gehälter sowie auf 1,0 Gehälter bei einem Bestand bis zum 30.06.2021 erhöhen. Auch ein seit 1989 als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer erhielt ein entsprechendes Angebot, in dem ihm informatorisch mitgeteilt wurde, dass seine Abfindung bei einem unterstellten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 104.298,75 € brutto betrage. Der Kraftfahrer nahm das Angebot nicht an, ließ aber über seinen Rechtsanwalt mitteilen, dass er grundsätzlich an dem Angebot interessiert sei aber „nicht um jeden Preis“. Nach seiner Meinung bestand Unklarheit über die Höhe der Abfindung, da er seit längerem krank sei und deshalb nicht klar sei, wie sich dieser Umstand auf die Höhe der Abfindung auswirke. Als er in der Folge Kündigungsschutzklage erhob, erklärte der Arbeitgeber, dass er sich an das Angebot zum Abschluss des Abwicklungsvertrages nicht mehr gebunden fühle. Der Kraftfahrer erweiterte daraufhin seine Klage und verlangte die Zahlung der Abfindung. Die Klage blieb erfolglos. Nach Meinung des Gerichts habe der Arbeitnehmer keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Abfindung, da er das vom Arbeitgeber unterbreitete Angebot auf Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung mit dem Schreiben seines Rechtsanwalts abgelehnt habe. Das Angebot des Arbeitgebers habe der Kraftfahrer nicht so angenommen, wie es ihm unterbreitet worden sei. Eine wirksame Annahme liege nur dann vor, wenn sie dem Angebot entspreche, also mit diesem deckungsgleich sei. Jede Annahme unter inhaltlichen Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gelte dagegen als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag. Im Ergebnis habe der Arbeitnehmer somit das Vertragsangebot des Arbeitgebers abgelehnt. Nach der Ablehnung des Angebotes sei der Arbeitgeber daran nicht mehr gebunden. Er sei auch nicht verpflichtet, mit dem Kraftfahrer weiter zu verhandeln oder sein ursprüngliches Angebot zu erneuern, LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2023, Az. 5 Sa 135/22.
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