Praxisbericht
/ 23. Juli 2023

Was Sie zum Thema Compliance unbedingt wissen sollten

Wiederholt haben in der Vergangenheit Berichte über Machtmissbrauch bei der Arbeit das Thema Compliance in den Fokus gerückt. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt und warum sich jedes Unternehmen damit beschäftigen sollte, auch wenn das Klima am Arbeitsplatz stimmt, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Compliance: Definition und Bedeutung

Der Begriff „compliance“ wird vom englischen Wort to comply (einhalten, befolgen) abgeleitet und bedeutet im Wesentlichen, dass ein Unternehmen Recht und Gesetz befolgt. Es geht dabei jedoch nicht nur um staatlich gesetztes Recht, sondern gleichfalls um Regeln und Richtlinien, die sich das Unternehmen selbst zur Grundlage seiner Geschäftstätigkeit gegeben hat, also auch um Redlichkeit und Integrität. Unter Compliance im unternehmerischen Umfeld versteht man die Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreift, um seine Geschäftstätigkeit und das Handeln seiner Mitarbeiter gesetzeskonform und redlich auszurichten. Dabei geht es nicht nur darum, Gesetzesverstöße zu vermeiden und aufzudecken, die Mitarbeiter oder das Management vermeintlich zum „Wohle“ des Unternehmens begehen, wie z. B. in der Vergangenheit beim Diesel-Skandal in der Automobilbranche. Die Einführung einer Compliance-Struktur soll auch der Bekämpfung und Aufdeckung von Gesetzesverstößen dienen, die Mitarbeiter zulasten des Unternehmens begehen oder die die Arbeitsbedingungen betreffen.

Grundüberlegungen zur Einführung einer
Compliance-Struktur

Vor der Einführung einer Compliance-Struktur muss eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, welche Arten von Compliance-Verstößen im Unternehmen vorkommen können. Je nach Branche und unternehmenseigenen Besonderheiten bestehen unterschiedliche Risiken, die individuell berücksichtigt und bewertet werden müssen. Strafrechtlich relevant und in besonderem Maße auch rufschädigend sind z.B. Steuerhinterziehungen, Schmiergeldzahlungen, Bestechung, Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen, Werksspionage und sexuelle Belästigungen. Auf Basis der individuellen Auswertung können dann Verhaltens- oder Ethikrichtlinien („Code of Conduct“) erstellt werden, die die verbotenen bzw. unerwünschten und die angestrebten Verhaltensweisen definiert.

Compliance hat arbeitsrechtlich eine doppelte Rolle

Das Arbeitsrecht ist im Bereich der Compliance in zweierlei Hinsicht relevant. Zum einen weist dieses Rechtsgebiet eine Vielzahl von Vorschriften auf, die straf- und bußgeldbewehrt sind und daher bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern zwingend einzuhalten sind. Hinzu kommen Verhaltensweisen, die in ihrer Erscheinungsform (noch) nicht strafrechtlich relevant sind, aber das Arbeitsklima stark beeinträchtigen, wie z. B. Mobbing oder Bossing. Zum anderen stellt sich arbeitsrechtlich die Frage, wie ein Compliance-System oder ein Code of Conduct in die Arbeitsverhältnisse implementiert werden können, wie sie kontrolliert und bei Nichtbefolgen sanktioniert werden können.

Diese Bereiche erfordern besondere Beachtung

Vorschriften, deren Einhaltung unbedingt in einem Compliance-Management beachtet werden müssen, sind z. B.:

  • Regelungen zur Höchstarbeitszeit, zu Ruhezeiten/und zur Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
  • Jugendarbeitsschutz
  • Mutterschutz
  • Beschäftigtendatenschutz
  • allgemeiner Arbeitsschutz
  • Diskriminierungsverbote
  • korrekte sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung (Stichwort: Scheinselbstständigkeit)
  • korrekte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer

Möglichkeiten zur Implementierung von
Compliance-Regelungen

Um ein Compliance-System im Unternehmen zu installieren, ist es erforderlich, dass die Compliance-Regelungen gegenüber den Mitarbeitern verbindlich gelten. Zur verbindlichen Einführung der Compliance-Regelungen in die konkreten Arbeitsverhältnisse hat der Arbeitgeber folgende Möglichkeiten:

  • Weisungsrecht nach §106 Gewerbeordnung (GewO)
  • Aufnahme in den Arbeitsvertrag
  • Abschluss einer gesonderten Vereinbarung mit den Mitarbeitern
  • Abschluss einer Betriebsvereinbarung in Betrieben mit Betriebsrat

Weisungsrecht deckt viele Bereiche ab

Zahlreiche compliance-relevante Bereiche kann der Arbeitgeber auf der Grundlage seines Weisungsrechts nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) einseitig verbindlich vorgeben. Danach ist der Arbeitgeber befugt, die arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitnehmer hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit sowie in Bezug auf die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb zu konkretisieren. Begrenzt ist das Weisungsrecht durch arbeitsvertragliche oder gesetzliche Regelungen, bzw. durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Compliance-rele­vante Sachverhalte, die grundsätzlich im Wege des Weisungsrechts vorgegeben werden können, sind insbesondere:

  • Vorgaben zum Umgang mit Untergebenen/Kollegen
  • Richtlinien zur Auftragsvergabe/Einstellung von Personal (Vermeidung von Vetternwirtschaft)
  • Vermeidung von Interessenkonflikten
  • Verbot der Annahme von Geschenken und Leistungen aus dienstlichem Anlass (auch ohne strafrechtliche Relevanz)
  • Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht
  • Pflicht zur Anzeige von (drohenden) Personen-, Sach- oder Vermögensschäden

Grenzen des Weisungsrechts

Verhaltensvorgaben, die den außerdienstlichen Bereich betreffen, können durch das Weisungsrecht in der Regel nicht gemacht werden. Hier setzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer der Ausübung des Weisungsrechts Grenzen.

Strafrechtlich sanktionierte oder bußgeldbewehrte Sachverhalte, die im Code of Conduct aufgeführt sind, müssen nicht gesondert für das Arbeitsverhältnis vereinbart werden. Sie gelten qua Gesetz und sind daher von allen Beteiligten immer zu beachten. Die Erwähnung im Code of Conduct oder in betrieblichen Ethikrichtlinien ist aber trotzdem sinnvoll.

Bei vertraglichen Regelungen greift die AGB-Kontrolle

Durch vertragliche Vereinbarungen können Arbeitgeber Compliance-Regelungen einführen, die nicht durch das Weisungsrecht gedeckt sind, z.B. Nebentätigkeits- oder Wettbewerbsverbote. Sind derartige Regelungen im bestehenden Arbeitsvertrag nicht enthalten, ist eine Änderung des Arbeitsvertrages oder eine separate Vereinbarung zur Geltung des Code of Conduct erforderlich. Sofern der Mitarbeiter hiermit einverstanden ist, ist dies – wie auch bei Neueinstellungen – unproblematisch. Schwieriger ist die Lage, wenn Mitarbeiter im bestehenden Arbeitsverhältnis die nachträgliche Implementierung der Compliance-Regelungen ablehnen. Hier müsste eine Änderungskündigung ausgesprochen werden, die jedoch rechtlich nur in Ausnahmefällen durchzusetzen ist.

Betriebsvereinbarungen sind nur zum Teil eine Lösung

Existiert in einem Betrieb ein Betriebsrat, können Compliance-Regelungen durch Betriebsvereinbarungen zur Geltung gebracht werden. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass nicht mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine individuelle Vereinbarung getroffen werden muss und die Regelungen jederzeit unter Mitwirkung des Betriebsrats auch zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden können. Allerdings sind Betriebsvereinbarungen über Compliance-Regelungen nur möglich, soweit der Betriebsrat zum Gegenstand der jeweiligen Regelung auch ein Mitbestimmungsrecht hat, z. B. bei Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Arbeitsverhalten, d. h. alle Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konkretisiert wird, ist mitbestimmungsfrei. Auch in persönlicher Hinsicht ist die Reichweite von Betriebsvereinbarungen begrenzt, da Geschäftsführer, Vorstände und leitende Angestellte nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen.

Genau wie Arbeitsverträge unterliegen auch vertraglich vereinbarte Compliance-Regelungen den Vorschriften über allgemeine Geschäfts­bedingungen, sogenannte AGB-Kontrolle. Compliance-Regelungen dürfen daher den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen und müssen klar und bestimmt, also auch für den juristischen Laien transparent und verständlich sein.

Kontrollen sind notwendig, aber nicht
grenzenlos zulässig

Ein Compliance-System erreicht nur dann seinen Zweck, wenn die Regeln eingehalten werden und etwaige Verstöße auch aufgedeckt und sanktioniert werden. Die Compliance-Regelungen müssen daher regelmäßig stichprobenartig oder anlassbezogen überwacht werden, sofern konkrete Anhaltspunkte für Verstöße vorliegen oder z. B. durch ein Hinweisgebersystem bekannt werden. Auch hier sind jedoch Grenzen einzuhalten, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter und die datenschutzrechtlichen Vorgaben.

Praxis-Tipp
Kleinere Verstöße können von den betrieblichen Compliance-Beauftragten selbst geahndet werden. Bei Verstößen, die eine größere Anzahl von Mitarbeitern betreffen, ist es ratsam, externe Berater, z. B. Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfer, einzusetzen.

Annemarie Böttcher

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