Hintergrund
/ 23. Juni 2023

Hohe Vertragsstrafe ist nicht per se unzulässig

Wer einen Mitarbeiter weiterbildet, hat naturgemäß ein Interesse daran, dass ihm dessen Arbeitskraft möglichst lange erhalten bleibt. Vertragliche Regelungen, die dies absichern sollen, sind grundsätzlich zulässig, müssen aber angemessen sein.

Übersicherung des Arbeitgebers macht Klausel unwirksam

Eine Ärztin war in einer Gemeinschaftspraxis mit dem Ziel der Weiterbildung zur Fachärztin angestellt. Ihr ab dem 01.02.2016 geltender Arbeitsvertrag sah eine fünfmonatige Probezeit vor sowie einen sich daran anschließenden Ausschluss der ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von 42 Monaten, also bis zum 31.07.2019. Der Arbeitsvertrag enthielt folgende Klausel: „Löst der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig nach Ablauf der Probezeit, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen zu bezahlen, höchstens jedoch eine Vertragsstrafe in der Höhe, die den Bruttovergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen.“ Als die Ärztin das Arbeitsverhältnis aufgrund familiärer Umstände mit einmonatiger Kündigungsfrist zum 28.02.2018 kündigte, behielt der Arbeitgeber unter Berufung auf die Vertragsstrafenregelung ihr letztes Gehalt ein und verlangte von der Ärztin die Zahlung von zwei Monatsgehältern. Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Die Erfurter Bundesrichter entschieden den Rechtsstreit zugunsten der Medizinerin. Die Vertragsstrafenregelung benachteilige sie unangemessen. Der Grund für die Unangemessenheit seien dabei nicht die in der Klausel festgelegten drei Bruttomonatsgehälter. Es gebe – entgegen der Auffassung der Ärztin – keinen allgemeinen Rechtssatz, dass eine Vertragsstrafe, die einen Bruttomonatsverdienst übersteige, den Arbeitnehmer stets unangemessen benachteiligen würde. Es sei vielmehr unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliege. Aufwendungen des Arbeitgebers in die Ausbildung des Arbeitnehmers könnten dabei ein gesteigertes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gewissen zeitlichen Bindung des Arbeitnehmers begründen, das durch eine Vertragsstrafe abgesichert werden solle, damit die Aufwendungen in der Ausbildung nicht vergeblich waren. Vorliegend sei die Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen jedoch nicht interessengerecht, weil sie nach der vertraglichen Regelung bereits dann geschuldet sei, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unmittelbar nach der Probezeit ordentlich kündige. Zu diesem Zeitpunkt seien erst vergleichsweise überschaubare Aufwendungen für die Ausbildung erbracht worden, sodass die Höhe der Vertragsstrafe hier nicht zu rechtfertigen sei, BAG, Urteil vom 20.10.2022, Az. 8 AZR 332/21.

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